Die Zeit zu schildern, ist eure heilige Pflicht.
Erich Kästner als Journalist
Die publizistische Tätigkeit, die Erich Kästner während des Studiums – sehr zum Unmut seines Professors, der ihn für eine wissenschaftliche Karriere berufen hielt – aufnahm, wird ihn sein Leben lang begleiten.
Seine journalistische Fähigkeit wird es auch sein, die ihm nach dem Untergang des Dritten Reiches einen neuen Start ermöglicht. Immer wird er wie schon in seinen journalistischen Anfängen mit seinen Texten für seine Grundideen eines menschlichen, toleranten und ungezwungenen Miteinanders werben.
Doch zunächst muss auch ein Erich Kästner Lehrjahre durchlaufen, als dritter oder zweiter Redakteur, der von seinen Vorgesetzten, vor allem von Max Krell und Hans Natonek, angeleitet wird.
So schreibt er als Angestellter des Verlags kurze Texte für Kinderseiten und Magazine der “Neuen Leipziger Zeitung” und des “Leipziger Tagblatts”, berichtet über Kulturereignisse und nach und nach auch über das politische Geschehen.
Bei allem, was er schreibt, hält er nie seine Meinung zurück. Da ist es kein Wunder, dass er sich Feinde schafft, die sein Schaffen kritisch beobachten und schließlich froh sind, dass er selbst einen Anlass für eine Kündigung gibt. Ein aus heutiger Sicht lächerlicher und nichtiger Anlass.
Die “Plauener Volkszeitung” hatte 1927 eines seiner alten Gedichte wieder abgedruckt. So weit, so gut – hätten nicht kritische Gemüter in diesem Gedicht, “Nachtgesang des Kammervirtuosen”, im Beethovenjahr eine Verunglimpfung des großen deutschen Komponisten gesehen. Kästner verlor seine feste Anstellung als Redakteur bei der “Neuen Leipziger Zeitung” und konnte froh sein, dass er wenigstens eine Korrespondentenstelle in Berlin mit einem geringen monatlichen Gehalt aushandeln konnte.
Dieser Schicksalsschlag entpuppte sich schon bald als Glücksfall. Auf Grund seiner vielfältigen journalistischen Tätigkeit von Leipzig aus – er schrieb freiberuflich u.a. für das “Berliner Tagblatt”, die “Dresdener Neuesten Nachrichten”, das “Prager Tagblatt”, die “Vossische Zeitung” und das “Tagebuch” – fand Kästner in Berlin schnell Anschluss an die Journalisten- und Intellektuellen-Szene. Dadurch war er nicht nur auf den Abdruck seiner Artikel in der “Neuen Leipziger Zeitung” angewiesen, seine Texte wurden vielmehr von allen namhaften Zeitungen jener Zeit veröffentlicht, in der “Weltbühne” ebenso wie im “Tagebuch”. Und der “Montag Morgen” bestellte sogar ein wöchentliches Gedicht bei ihm.
© 2020 Dr. Birgit Ebbert • www.kaestner-im-netz.de
(Der Text habe ich 1998 geschrieben für das dtv-Magazin zum 100. Geburtstag von Erich Kästner.)