… als Kinderbuchautor

Lasst Euch die Kindheit nicht austreiben!
Erich Kästner als Kinderbuchautor

Noch bekannter als die Gedichte Erich Kästners sind heute seine Kinderbücher. Und dabei hatte er bei seiner Lebensplanung gar nicht daran gedacht, Geschichten für Kinder zu schreiben. Erst Edith Jacobsohn, die Witwe des “Weltbühne”-Verlegers Siegfried Jacobsohn, regte ihn bei einem Autorentreffen an, für Kinder zu schreiben.

„An einem dieser Nachmittage bugsierte sie mich auf den Balkon, klemmte ihr Monokel ins Auge und sagte: ‚Sie wissen, dass ich die Weltbühne nur leite, weil mein Mann verstorben ist. Und Sie wissen auch, daß mir der Kinderbuchverlag Williams & Co gehört.‘
Ich nickte. Ich wusste es. Sie hatte, in deutscher Übersetzung, Hugh Loftings Doolittle-Bände herausgebracht, ‚Pu der Bär‘ von A.A. Milne und zwei Bände von Karel Capek. Der Verlag genoss größtes Ansehen.
‚Es fehlt an guten deutschen Autoren‘, sagte sie. ‚Schreiben Sie ein Kinderbuch!‘
Ich war völlig verblüfft. ‚Um alles in der Welt, wie kommen Sie darauf, dass ich das könnte?‘
‚In Ihren Kurzgeschichten kommen häufig Kinder vor‘, erklärte sie. ‚Davon verstehen Sie eine ganze Menge. Es ist nur noch ein Schritt. Schreiben Sie einmal nicht über Kinder, sondern auch für Kinder!‘
‚Das ist sicher schwer‘, sagte ich. ‚Aber ich werd’s versuchen.‘
Fünf, sechs Wochen später rief Edith Jacobsohn bei mir an. ‚Haben Sie sich die Sache durch den Kopf gehen lassen?‘
‚Nicht nur das, gab ich zur Antwort. ‚Ich schreibe gerade am neunten Kapitel.’“
(In: Einiges über Kinderbücher in: Das Kästner Buch, S.90 – Piper-TB-Ausgabe)

Es war das neunte Kapitel von “Emil und die Detektive”, dem Kinderroman, der in den Werklisten der deutschsprachigen Kinderbuchautoren kaum einen Nachfolger findet. In alle wichtigen Sprachen der Welt übersetzt, mehrmals verfilmt und für die Bühne inszeniert und Begleiter von mehreren Kindergenerationen war es vor allem dieses Buch, das den Ruf Erich Kästners als Kinderbuchautor begründet hat.
Aber auch ihm muss diese Arbeit Spaß gemacht haben, er brauchte sie sogar als Ausgleich für seine bissigen Appelle an die Erwachsenen.
Hier konnte er seine Kindheitserlebnisse beschreiben und weiterspinnen. Und da er im Herzen Kind geblieben war, traf er trotz seiner pädagogischen Zwischenbemerkungen, die sich fast in allen Kinderbüchern finden, den Ton und das Lebensgefühl der Kinder.

Mit “Pünktchen und Anton”, “Das fliegende Klassenzimmer”, “Das doppelte Lottchen” und “Die Konferenz der Tiere” gelangen ihm Romane für Kinder, die auch heute noch nicht an Bedeutung und Aktualität verloren haben. Noch immer gehören sie mit “Emil und die Detektive” zu den beliebtesten Kinderbüchern und noch immer dürfen sich die Verfilmungen hoher Einschaltquoten erfreuen. Welcher deutsche Kinderbuchautor kann das sonst von sich behaupten und selbst international gibt es außer Astrid Lindgren und Enid Blyton nur wenige, die sich daran messen lassen können.

© 2020 Dr. Birgit Ebbert • www.kaestner-im-netz.de

(Der Text habe ich 1998 geschrieben für das dtv-Magazin zum 100. Geburtstag von Erich Kästner.)