… und das Theater

Ich liebe das Theaterspielen von Herzen, aber als Zuschauer
Erich Kästner und das Theater

Erich Kästners Liebe zum Theater ist wie viele andere Themen, die sein Leben durchziehen, auf Erlebnisse in der Kindheit zurückzuführen. In seinen Erinnerungen “Als ich ein kleiner Junger war” schreibt er: “Meine Laufbahn als Zuschauer begann sehr früh, und der Zeitpunkt war ein Zufall. Ich war sieben oder acht Jahre alt, als meine Mutter bei Frau Wähner, ihrer Putzmacherin, eine gewisse Frau Gans kennenlernte und sich mit ihr anfreundete.” Eine der Töchter von Frau Gans spielte leidenschaftlich gern Theater und war froh, wenn sie außer ihrer Mutter und ihrer kranken Schwester, Frau Kästner und Erich als Zuschauer hatte.

Durch Hilde Gans kamen Erich und seine Mutter in Kontakt mit richtigen Bühnen und entdeckten schließlich die Dresdener Theater: das Alberttheater, das Schauspielhaus und die Oper wurden bald ein zweites Zuhause für Erich Kästner.

Regelmäßige Theaterbesuche gehören also zu den Dingen, die seine Mutter ihm ermöglicht hat – auch wenn es z.T. auf Steh- oder billigen Sitzplätzen war. Der Theatergeschmack konnte sich schon früh bilden, womit eine gute Grundlage für die späteren Theaterkritiken geschaffen war.

Erste Gehversuche in der schriftlichen Theaterkritik musste und durfte Erich Kästner während des Studiums machen. Einer der Dozenten am Zeitungswissenschaftlichen Institut in Leipzig verlangte von seinen Studenten, dass sie direkt im Anschluss an eine Aufführung eine Kritik verfassten und diese noch in der gleichen Nacht an ihn absandten. Sie sollten sich nicht von der professionellen Theaterkritik beeinflussen lassen. Eine harte, aber gute Schule, in der Erich Kästner wieder einmal erfolgreich war. Der Kommentar seines Lehrers, Dr. Morgenstern: “Ich habe in diesem Institut nur zwei echte Begabungen kennengelernt: Eugen Ortner und Sie!”

Schon während des Studiums befasste sich Kästner auch mit den theoretischen Hintergründen des Theaters, er plante sogar eine Dissertation über Lessings Dramaturgie, musste diesen Plan aber aus finanziellen Gründen aufgeben.

Mit diesen Voraussetzungen traf Kästner 1927 in Berlin ein. Hier konnte er Theaterkritiken üben und seine theoretischen Kenntnisse vertiefen, war er doch Zeitzeuge der ersten Gehversuche des experimentellen Theaters von Max Reinhardt und Erwin Piscator.

War es da verwunderlich, dass in Erich Kästner ein neuer Berufswunsch aufkeimte? Nun wollte er Theaterregisseur werden. Um erste Anschauungen von dieser Tätigkeit zu bekommen, suchte er Kontakt zu Theaterregisseuren, die jedoch abwinkten, so dass er schließlich zu einer List greifen musste:

Er wusste, bei welchem Friseur der Theaterregisseur Berthold Viertel sich rasieren ließ und arrangierte es, dort eines Tages neben ihm zu sitzen. Viertel war von der List und der Frage, ob Kästner bei Proben zuschauen dürfe, so erheitert, dass er ihm die Anwesenheit bei den Vorbereitungen für seine neue Inszenierung erlaubte. Allerdings fand die Lehrstunde in Sachen Theater ein Ende, als eine der Hauptdarstellerinnen Kästner im Theater bemerkte und ihn hinauswerfen ließ.

Danach legte Kästner einen Schwerpunkt seines Theaterschaffens darauf, Theaterstücke zu schreiben. Im Laufe seines Lebens wurde sogar das eine oder andere uraufgeführt und noch hin und wieder inszeniert, z.B. 1948 “Zu treuen Händen” und 1957 “Die Schule der Diktatoren”. Doch hauptsächlich beschränkte sich Kästners Theaterpräsenz auf Bühnenfassungen seiner Kinderbücher, allen voran “Emil und die Detektive”.

© 2020 Dr. Birgit Ebbert • www.kaestner-im-netz.de

(Der Text habe ich 1998 geschrieben für das dtv-Magazin zum 100. Geburtstag von Erich Kästner.)