In memoriam memoriae
Nachrufe auf Erich Kästner
Die letzten Jahre Erich Kästners waren nicht nur von Resignation, sondern vor allem von Krankheit geprägt. Am 29. Juli 1974 starb er im Münchner Krankenhaus Neuperlach am wenige Wochen vorher diagnostizierten Speiseröhrenkrebs. Seine Urne wurde auf seinen Wunsch hin zu den Klängen des Walzers aus dem “Rosenkavalier” am 5. August auf dem St.-Georgs-Friedhof in Bogenhausen beigesetzt.
Deutschlands Literatur verlor damit einen wichtigen und großen Schriftsteller, der auf der literarischen Klaviatur jede Tonart beherrschte. Und einen der versiertesten Streiter für Frieden und Menschlichkeit.
Hermann Kesten, Kästners Schriftstellerfreund seit den zwanziger Jahren, hielt die Grabrede bei seiner Beerdigung und stimmte in seinen Worten mit vielen überein, die um Erich Kästner trauerten:
“Ich bin froh, daß ich auch Kästners Bücher und den Autor Kästner und den guten Freund, der Kästner war, und den unerschrockenen Weltfreund und Weltbürger, den witzigen Kritiker seiner Landsleute gerühmt habe, 1927 in Berlin, und daß er es mir leicht gemacht hat, ihn und sein Werk ein Leben lang zu rühmen, denn er ist sich treu geblieben, ein Leben lang, und sein Talent wie sein Werk bewiesen vom Beginn bis zum Ende, daß er einer der großen deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts ist, rar durch seinen Witz und seine Anmut, durch seine unbestechliche Strenge eines verschmitzten und heiteren Moralisten, durch die Toleranz eines vorurteilslosen Menschenfreundes, durch seine spielerische und fehllose Meisterschaft der Sprache. Er war ein Satiriker mit Herz, ein Kinderfreund, der nie kindisch wurde, ein verzweifelter Optimist, der nie zu lachen vergaß, ein Spötter mit Sentiment, einer der klügsten Sprecher unseres Jahrhunderts, ein legitimer Sohn des Jahrhunderts und ein Bastard, aber ohne den Närrischkeiten und Fehltritten der Epoche nachzugeben.”
“Kästners Einfluß auf seine Kollegen und der Gewinn, den seine Kollegen daraus gezogen haben, daß er ihr Sprecher war vor Deutschen und vor aller Welt, ist sehr bedeutend. Wer hätte besser diese Aufgabe erfüllt, von den deutschen Autoren, die in Deutschland geblieben waren, nämlich wieder literarische Achtung und moralisches Ansehen in aller Welt zu schaffen, als Erich Kästner?”
(In: Das große Erich Kästner Buch)
© 2020 Dr. Birgit Ebbert • www.kaestner-im-netz.de
(Der Text habe ich 1998 geschrieben für das dtv-Magazin zum 100. Geburtstag von Erich Kästner.)