Dieses Na ja!, wenn man das nicht hätte (Erich Kästner)

Für meine Dissertation habe ich mich Anfang der 90er Jahre intensiv mit Erich Kästner beschäftigt. Vermutlich habe ich alle deutschsprachigen und auch einige englischsprachige Werke über ihn und natürlich von ihm bis Mitte der 90er Jahre gelesen. Danach ist soviel geschehen in meinem Leben und es gab viele andere thematische Baustellen, dass ich nur gelegentlich ein wenig gesurft und meine Internetseite aktualisiert habe.

Nun gibt es gleich verschiedene Anlässe, dass ich mich wieder intensiver mit ihm beschäftige. Unter anderem will ich meine Dissertation oder einen Auszug daraus als E-Book veröffentlichen und auch sonst habe ich ein paar Ideen, über die ich noch nicht sprechen kann und will. In dem Zuge habe ich aber seine Briefe wieder- bzw. neu gelesen und wenn alles klappt, möchte ich im Sommer auch ein wenig in seinem Nachlass, der etwas verstreut ist, stöbern.

Die Briefe an seine Mutter, darauf habe ich schon in diesem Blogbeitrag berichtet, haben mich motiviert, weil sie seine Anfänge gut dokumentieren. Diese werden am Rande auch in der Briefausgabe „Dieses Na ja!, wenn man das nicht hätte!“, erwähnt, aber im Mittelpunkt steht doch das Leben eines erfolgreichen Schriftstellers. Übrigens genau so, wie ich mir es vorstelle. Ich arbeite dran. *gr*

Ich gebe zu, bisher war ich nicht die fleißigste Leserin von Autorenbriefen. Aber das hat sich nach der Lektüre der 500 Seiten Kästner-Briefe geändert. Da finden sich zum Teil so pfiffige Formulierungen, die sicher irgendwann Eingang in Zitate-Sammlungen finden werde. An vielen Stellen erkennt man auch den feinsinnigen Humor aus Kästners literarischem Werk wieder. Dass er auch anders schreiben konnte, wird übrigens besonders an den teilweise intimen Briefen an seine Geliebten deutlich. Bei der Lektüre kam ich mir teilweise wie eine Voyeurin vor und ich habe mich gefragt, ob man solche Briefe wirklich veröffentlichen muss.

Bedeutsam finde ich auch, was er in der Zeit zwischen 1933 und 1945 schreibt. Da bestätigt sich, dass er nicht schreiben durfte und immer Zeiten hatte, in denen er nichts geschrieben hat. In vielerlei Hinsicht interessant ist zum Beispiel seine Korrespondenz mit dem Finanzamt, die zeigt, dass er teilweise auch in der NS-Zeit durch Aufträge hinter dem Nazi-Rücken nicht schlecht verdient hat, aber auch, dass er kaum Einkünfte hatte, nachdem Hitler dem „Münchhausen“-Streich auf die Schliche gekommen war. Das war wirklich ein Münchhausen-Streich. Erich Kästner hat nämlich das Drehbuch für den Hans Albers-Film „Münchhausen“ geschrieben. Als die Nazi-Größen das bei der Voraufführung im Vorspann lasen, musste sein Name sofort gestrichen werden und er erhielt ein Schreibverbot. Dieses legt er dem Finanzamt dar, das weiterhin an hohen Einkommensteuervorauszahlungen festhält. Wäre es nicht Realität gewesen, könnte man das auch als Comedy lesen.

Zwei Dinge sind mir mit Blick auf den Alltag eines Schriftstellers aufgefallen. Das eine betrifft auch meinen Alltag und die Verdienstmöglichkeiten heutiger Autoren. Aber vielleicht habe ich das auch übersehen, weil ich keine Tageszeitung abonniert habe. Zu Kästners Zeit konnten Schriftsteller noch Gedichte und Kurzgeschichten in Zeitungen veröffentlichen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das – außer im honorarfreien ZEIT-Leser-Teil – zuletzt gesehen habe. Auch Fortsetzungsromane im Original oder als Vorab- oder Nachdruck haben in Zeitungen wohl ausgedient. Ich  habe mir für die Sommerferien vorgenommen, an einem Wochenende sämtliche Zeitungen und Zeitschriften durchzusehen, ob und wo noch Lyrik oder Belletristik zu lesen ist.

Die nächste Auffälligkeit ist der Austausch mit den Verlegern, den Kästner pflegte. Nun habe ich das Glück, mit einigen Verlegern und einer Verlegerin (oder noch mehr) im persönlichen Kontakt zu stehen. Mit Herrn Gmeiner bin ich immerhin bei Xing vernetzt, aber ich habe mich gerade gefragt, ob die anderen Verlage wohl Verleger haben oder ob da Manager sitzen, die mit dem inhaltlichen nichts zu tun haben. Noch eine Aufgabe, die ich mir gestellt habe – aber erst für die zweite Jahreshälfte. Mal sehen, ob es mir gelingt, auf der Buchmesse die restlichen Verleger kennenzulernen. Ich werde berichten.

Zunächst bleibe ich bei meinem Bericht über die Kästner-Briefe, zu denen auch Korrespondenz mit der literarischen Créme de la Créme zählt. Ob Kurt Tucholsky, Stefan Zweig oder Astrid Lindgren. Die Briefe zeigen, dass Kästner Zeit seines Lebens in einem regen Austausch mit Kollegen stand. Interessant sind aber vor allem die privaten Briefe an seine Mitarbeiterin, seinen Vater und seine Freundinnen. Hier verrät er viel aus seinem Alltag und was er über die eine oder andere Frage denkt. Eine wirklich Lektüre, die für Kästner-Fans und sogar für Experten, die noch nicht in seinem Archiv stöbern konnten oder durften, viel Neues enthält. © Dr. Birgit Ebbert www.kaestner-im-netz.de