Erich Ohser alias E. O. Plauen

Auf meiner Liste der Orte, die ich für die Recherche über Herti Kirchner besuchen möchte, steht auch immer noch Plauen. Die Stadt, in der Erich Ohser am 18. März 1903 geboren wurde und die er zum Teil seines Namens und Markenzeichens machen. Seine Bildergeschichten von „Vater und Sohn“ kennt heute fast jeder, auch wenn die Signatur e. o. plauen nicht jedem etwas sagt.

Nach einer Schlosser-Lehre studierte Erich Ohser an der Kunstakademie in Leipzig wo er zur Meisterklasse gehörte. Dort freundete er sich mit Erich Kästner an, eine Freundschaft, die bis zu Erich Ohsers Selbstmord am 6. April 1944 dauerte. Die gut vierzig Jahre seines Lebens waren geprägt von Höhen und Tiefen. Ende der 20er Jahre zog er mit Erich Kästner, dessen Gedichtbände er illustrierte, nach Berlin, wo sie Anfang der 30er Jahre etwa zeitgleich Herti Kirchner begegneten, weil alle in den Künstlercafés verkehrten. 1933 schreibt sie in einem Brief an die Tanten, dass sie mit Erich Kästner und Erich Ohser bis in die Nacht hinein Sekt getrunken hat. In den Unterlagen befindet sich auch eine Zeichnung Ohsers, die die beiden Erichs an Herti geschickt haben und eine Vater- und Sohn-Geschichte mit persönlicher Widmung „Anregung: Herti Kirchner. e.o.plauen.“ Es wäre wirklich interessant zu wissen, ob in seinem noch nicht vollständig gesichteten Nachlass etwas über Herti zu finden ist.

Auch unabhängig von Herti Kirchner interessiert mich der Künstler, eben weil mich die Geschichten das ganze Leben über begleiten -als Schülerin musste ich dazu Geschichten schreiben, in meinem ersten Job habe ich eine ähnliche Geschichte für einen Kalender bei einer befreundeten Künstlerin in Auftrag gegeben und heute bringen mir Schüler die Bildergeschichten, weil sie einen Aufsatz dazu schreiben müssen.

Dabei wollte Erich Ohser eigentlich Karikaturen zeichnen und war darin sogar ziemlich erfolgreich. Nach der „Plauener Volkszeitung“ und der „Neuen Leipziger Zeitung“ beauftragten ihn auch Zeitschriften wie „Der Querschnitt“ und „Die lustigen Blätter“, sogar der „Vorwärts“ druckte Ohsers Statements zur Welt und Politik ab. Diese Karriere endet, als die Nationalsozialisten die Presse gleichschalten. Nicht nur, dass es manche Medien nicht mehr gibt, er wird auch nicht in die Reichspressekammer aufgenommen wegen seiner kritischen Äußerungen, was quasi einem Publikationsverbot gleichkam.

Um sich, seine Frau und seinen dreijährigen Sohn Christian zu ernähren und weiter zeichnen zu können, nahm Erich Ohser das Angebot des Lektors Kurt Kusenberg vom Ullstein Verlag an, für die „Berliner Illustrierte“ eine Serie zu entwickeln. Das war die Geburtsstunde der Reihe „Vater und Sohn“, die fortan unter dem Pseudonym e. o. plauen erschien. Obwohl die beiden Figuren in ihrem Verhalten so gar nicht zur NS-Ideologie passten – oder gerade deswegen – wurden sie so beliebt, dass es sogar Merchandising-Artikel dazu gab, von Süßigkeiten bis zu Porzellan, nicht viel anders als heute bei den „Simpsons“, „Prinzessin Lillifee“ oder der „Maus“. Merchandising ist also keineswegs eine Erfindung unserer Zeit, wie ich an diesem Beispiel gelernt habe. Die Geschichten erschienen von 1934 bis 1937, zu der Zeit sogar in NS-Organen, weil Erich Ohser immer hoffte, sich und seine Familie damit zu retten. So ist auch seine Tätigkeit als Zeichner bei der Zeitschrift „Das Reich“ zu erklären, die er teilweise kaum aushielt oder nur dadurch, dass er sich privat Luft verschaffte.

1944 wurde er von einem Nachbarn denunziert, je nach Quelle wurde er am 28. März oder am 27. Februar verhaftet, sicher ist aber, dass er sich vor seiner Verhandlung in der Zelle erhängt hat. Er starb am 6. April 1944 und ist damit vermutlich einer Todesstrafe zuvorgekommen, zu der man ihn wahrscheinlich wegen seiner Karikaturen von „Zwerg“ Joseph Goebbels und seiner Äußerungen über Hitler, den er als „Dümmsten aller Emporkömmlinge“ bezeichnete, verurteilt hätte. Hinterlassen hat er seinem Sohn und der Nachwelt Karikaturen jener Zeit und die amüsant-nachdenklichen Geschichten von „Vater und Sohn“, die ich mir in meinen Ferien zum ersten Mal alle hintereinander angeschaut habe. Leider nicht in Hertis Buch, aber ich weiß, dass alle drei Bände der Erstausgaben mit persönlicher Widmung in ihrem Bücherregal standen. © 20.08.2015 Birgit Ebbert www.kaestner-im-netz.de